VAIVA GmbH - Safe Mobility

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Einsatz von Menschmodell-Simulationen im Rahmen der Forschung

Nina Mederer,

Wir möchten schwere Unfallschäden nahezu auf null reduzieren. Das ist unsere Mission, unsere Motivation und unsere Leidenschaft. Um dieses Ziel bestmöglich zu verfolgen, müssen wir bei unseren Forschungen und Entwicklungen immer die weltweite Gesamtsituation im Straßenverkehr mit einbeziehen. Welche Studien zum Verkehrsgeschehen gibt es für welche Kontinente? Wie unterscheiden sich beispielsweise Unfälle mit Zweirädern in den einzelnen Ländern? Gibt es Unterschiede zwischen FußgängerInnen, RadfahrerInnen und motorisierten Zweirädern? Wenn ja, welche sind das? Kann man Sicherheitskonzepte und Lösungen für ein Verkehrsmittel auf andere übertragen?

Auch unsere Kollegin Karina hat sich diese Fragen gestellt. Als Teil des von der AUDI AG geförderten Forschungsprojekts „TETRA“ unterstützte sie in diesem Zusammenhang bei der Studiendurchführung zum Thema „Kopfaufprall-Prüffelderweiterung für China“.

Hintergrund des Projektes waren mitunter Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Demnach hatte Südostasien im Jahr 2018 mit 43% den größten Anteil an Todesfällen bei motorisierten Zweirädern (PTW) weltweit. Um diese Zahl zu verringern, versucht man bereits, vorhandene, passive Sicherheitstests für den Fußgängerschutz auf PTWs anzupassen. Also beispielsweise Tests mit Kopfimpaktoren, Beinprüfkörpern und Tests an Fahrzeugen mit aufstellbarer Motorhaube.

Um die Sicherheit für ungeschützte Verkehrsteilnehmer (z.B. PTW-FahrerInnen) weiter zu optimieren, ist nach aktuellen Beschlüssen eine Prüffelderweiterung für den Kopfaufprallbereich nötig. Somit muss nach in Kraft treten der neuen Sicherheitsverordnung (General Safety Regulation – GSR (EU) 2019/2144) für Typgenehmigungen zusätzlich zur Motorhaube auch die Windschutzscheibe, sowie die „cowl monitoring area“ berücksichtigt werden. Letztere ist ein neuer Überwachungsbereich, der zwischen Motorhaube und Windschutzscheibe liegt.

Links: Aktueller Testbereich – Rechts: Erweiterung um Windschutzscheibe und „cowl monitoring area“. (Quelle: Bünger, B. 2020: GSR HED: Extension of Headimpact Area. 15th PraxisConference Pedestrian Protection, 2020.)

Die neue Verordnung ist bisher allerdings nur in europäischen Gremien diskutiert. An diesem Punkt setzten Karina und das Team in ihrer Studie an. Ziel war es, die Kopfaufprall-Prüffelderweiterung für China zu bewerten und zu prüfen, ob sich die europäischen Vorgaben aus der neuen GSR (wie z.B. Prüffeld, Aufprallwinkel und -geschwindigkeit, Wrap-around-Distance (WAD)) mit China vereinheitlichen lassen.

Beispiel: Marking Wrap Around Distances (Quelle: https://cdn.euroncap.com/media/41769/euro-ncap-pedestrian-testing-protocol-v85.201811091256001913.pdf)

Dafür haben sie Menschmodell-Simulationen mit verschiedenen Randbedingungen an ausgewählten Konzernfahrzeugen durchgeführt. Unterstützung bekamen sie dabei von der TU Graz in Form von Literaturrecherchen und Menschmodell-Simulationen an generischen Fahrzeugmodellen (Sedan und SUV). Diese Resultate glichen Karina und das Team anschließend mit ihren eigenen ab, um herauszufinden, ob die Simulationen an z.B. realen SUVs ähnliche Ergebnisse wie an generischen SUVs aufweisen.

Quelle: http://www.ircobi.org/wordpress/downloads/irc21/pdf-files/2187.pdf

Die Studienergebnisse zeigen: Im Vergleich zu RadfahrerInnen wurden bei den PTW-FahrerInnen niedrigere Kopfaufprallgeschwindigkeiten beobachtet. Die PTW-Simulationen zeigen niedrigere minimale WADs, aber fast die gleiche maximale WAD wie bei den Radfahrer-Simulationen. Der Kopfaufprallwinkel scheint sehr empfindlich zu sein. Außerdem kann eine große Bandbreite von unterschiedlichen Winkeln beobachtet werden. Es scheint, dass eine Kopfaufprall-Impaktor-Geschwindigkeit von 35 km/h, ein Aufprallwinkel von 65° und eine WAD ≤ 2500 mm, wie derzeit für europäische Vorschriften für RadfahrerInnen diskutiert, auch chinesische Unfallszenarien mit motorisierten Zweirädern abdecken würden. Die Studie zeigt zudem, dass die Kopfaufprallbedingungen sehr empfindlich auf die Fahrzeugform reagieren.

Ihre Methoden, Feststellungen und Erörterungen hat das Team im Rahmen einer Short Communication bei der IRCOBI eingereicht und veröffentlicht. Die IRCOBI ist eine jährlich stattfindende Konferenz, die circa 250 Experten aus aller Welt aus den Bereichen Biomechanik, Crash-Mechanik, Unfallvermeidung und -rekonstruktion, Sportverletzungen und Gewebemodellierung zusammenbringt. Für uns also eine optimale Plattform, um unsere Themen mit der Community zu teilen und sich mit Experten zu vernetzen und auszutauschen.